###HOMENEWS###

Aktuelle News...

Ein bisschen Schrift

Portrait eines gescheiterten Engels

    Es liegt in der Luft, wie der Duft frisch gebackener Brötchen - nur nicht ganz so angenehm: kalter Zigarettenrauch, der Nachhall von Herren-Deo und eine Note typisch-menschlicher Art - von Haut, Schweiß, Liebe und alten Klamotten. Das Ganze gepaart mit dem typischen Geruch alter Neubaublocks umwebt die Nase eines jeden der seltenen Besucher meines Engels, wenn sie sein Reich betreten.
Es ist schwierig zu beschreiben, wie wir zueinander gekommen sind. Er stand so da, hat, glaube ich, gesessen, und geraucht, und wir tranken Kaffee.
Mein Engel ist groß von Gestalt und doch klein und gebrechlich. Wenn er so steht unter Menschen, sich nicht nur unbewusst weiterträumend an seiner Zigarette festhält, dann tut es mir manchmal weh, ihn zu betrachten.
Er sieht aus wie ein Notenständer aus zu dünnem Draht; das ist sein Gerüst, über welches er suchend den zu großen Mantel hängt, der ihn wohl schützen soll. Er raucht - viel zu viel, und er trinkt - viel zu oft, und er flieht vor der Welt, viel zu tief fällt er oft in dem Raum des Vergessens, des Rausches, der Spiele, der Träume; Träume, die sind um nicht Ziele zu sein.
Vielleicht ist es Suche, ist Sucht und ist Siechtum; wenn er da steht und
mit lacht ohne zu weinen.
Ich liebe ihn sehr, doch ich kann ihn nur hassen. Wenn er vor mir steht, spielt, sich aufbäumt, betrügt ohne Charme und mit falschem Grinsen - er nennt?s Ironie, ich nenn?s Trauer des Lebens.

Um dieses zarte Gerüst aus Draht, welchem nicht nur sein Mantel aus Schein, sondern auch all sein Körper, sein Gebrechen, sein Fleisch zu halten aufgetragen ist, um dieses gebrechlich filigrane Gerüst schlingt sich langsam
die Ranke der Hoffnungslosigkeit. Sie kam eines Tages aus der Erde gekrochen und erhaschte ein Bein, dann das nächste. Sie wuchs empor bis fast unter sein Herz, sein schönes, dort ruht sie und wartet und lauert und leckt sich die Lippen.

Es tut weh all dies zu betrachten - zu sehen meinen gefallenen Engel, der zur Erde kam um Gutes zu tun und dabei sich selbst vergaß. Wie soll er auch wissen, dass all seine Liebe, sein Geben und Lächeln nicht hilft unter Menschen, wenn er nicht für sich auch lächelt; für sich selbst liebt und lebt.
Gewiss, wo er herkommt ist anders all dies, dort liebt die Liebe und blühen die Lilien, ohne zu fragen: ?Was ist mit mir?  Wer bin denn ich??
Mein Engel hat sich selbst aus den Augen verloren und nun sitz ich hier - seh?s und beweine ihn.
Und es kommt mir die Frage, ganz plötzlich und unvermittelt ? tut er das alles vielleicht nur für mich?
Dass er ist mein Spiegel, ich in ihm mich sehe, das ist mir wohl länger schon bewusst. Doch dacht ich bisher, es wär? nicht so schlimm, wär? mit mir nicht so arg dran - ich könnt mich schon retten. Doch ist nicht vielleicht genau dieses auch jenes und lebt er für mich, so leb ich auch für ihn?
Ich werde wohl gleich zu ihm rüber gehn?